Eine Woche in Wittenberg

Frenswegener Ökumene in der Lutherstadt Wittenberg

– ist Gott 500 Jahre nach Luther noch denkbar?

Im Sommer 2017 erinnern die evangelischen Kirchen mit einer „Weltausstellung der Reformation“ an den Beginn dieser folgenreichen Epoche durch die Veröffentlichung der 95 Thesen Martin Luthers vor 500 Jahren. Zu den zahlreichen Einzelveranstaltern gehören auch drei von ihrer Mitgliederzahl her vergleichsweise kleine Kirchen im Norden: Die Bremische Evangelische Kirche, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg sowie die Evangelisch–reformierte Kirche. Gemeinsam laden sie die Jubiläumsgäste in eine denkbar zum Verweilen ein: Zu einer kleinen Erfrischung oder Stärkung und eben zum Nachdenken über Gott und die Welt.

Fünf Mitglieder des Gesprächskreises „Männer-Spirit“ der Stiftung Kloster Frenswegen waren in der hochsommerlichen dritten Juliwoche Gastgeber in der denkbar. Konfessionelle Vielfalt war durch die Herkunft aus der lutherischen, reformierten und katholischen Kirche gegeben. Spiritualität ist in der Vielzahl der religiösen, informativen, künstlerischen und schlicht kommerziellen Angebote, Präsentationen und Events nicht leicht zur Sprache zu bringen. Im Verlauf der Woche kam es aber zu erstaunlich vielen interessanten, auch tiefgehenden Gesprächen mit Gästen aus dem In- und Ausland. In dem kleinen Ladenlokal an der Collegienstraße fanden sich Besucher mit Wohnsitz oder Herkunft aus der Grafschaft Bentheim, andere Veranstalter oder Dauergäste, aber auch Wittenberger Bürger ein, die einfach neugierig waren, was die denkbar zu bieten hätte. In einem immer dienstags stattfindenden Salon-Gespräch wurde das Kloster Frenswegen in Wort und Bild vorgestellt.

Da für die Betreuung der Besucher nicht alle fünf Männer gleichzeitig anwesend sein mussten, konnten individuell oder gemeinsam Besichtigungen der reformatorischen Gedenkstätten in Wittenberg (Stadt- und Schlosskirche, Universität, Luther- und Melanchthon-Haus) unternommen und Präsentationen anderer Gastgeber besucht werden. Besonders in Erinnerung bleiben die Avantgarde-Kunstausstellung im Alten Gefängnis mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler, die eindrucksvoll präsentierte Erinnerung an die wichtigen Reformatoren Zwingli und Calvin im Schweizer Pavillon, die sympathische Gesprächsbereitschaft im „Gasthaus Ökumene“ der evangelischen Auslandsgemeinden und die „Church@Night“ in der Lichtkirche mit ihrem Zusammenspiel von Text und Musik. Eine Lesung des Schriftstellers F. C. Delius über Luthers Festhalten an der Erbsündenlehre, „Warum Luther die Reformation versemmelt hat“, wurde von der Gruppe kontrovers aufgenommen und diskutiert. Morgengebet und biblische Impulse, Gottesdienstbesuche und gemeinsame Mahlzeiten gaben den Tagen auch spirituell Struktur.

Wer im „Reformations-Sommer 2017“ nach Wittenberg reist, sieht sich mit Leben, Werk und Wirkung Martin Luthers konfrontiert: Treffend, auch fragwürdig, herausfordernd. Von Reformation in all ihren Facetten ist viel, von einem gemeinsamen „Christusfest“ hingegen wenig zu spüren. Angesichts abnehmender Zahlen derer, die in den Gemeinden aktiv sind, bleibt es interessant, untereinander und mit Menschen unserer pluralistischen Gesellschaft im Gespräch über das Christentum in seinen unterschiedlichen Ausprägungen zu bleiben. Dieses Ziel jedenfalls dürfte das Reformationsjubiläum und die kleine Gruppe aus dem Kloster Frenswegen erreicht haben.

von Johannes Minnich (Text) und Reiner Rohloff (Bilder)